Uniformiertes Schützenkorps
Fallersleben von 1603 e.V.

So feierte man 1930 Schützenfest in Fallersleben

Am Mittwoch in der 3. Woche nach Pfingsten erschienen, pünktlich um 18.00 Uhr, der Trommler Richard „Spieker“ Gruß und der Pfeifer Heinrich „Sagebock“ Seeger im Büro des Bürgermeisters Otto Wolgast, um den Beginn des Schützenfestes anzukündigen. Nach Einnahme eines kleinen Imbisses, unter Beimischung einer „angemessenen“ Zahl von „Sülfeldern“ (Korn) ging es dann mit Musik durch die festlich geschmückte Stadt. In jeder mit Birkengrün geschmückten Gaststätte wurde von Spieker und Sagebock haltgemacht und ein Ständchen gespielt.

Um 20.00 Uhr begann das Platzkonzert vor dem Jahnke´schen Haus (heute Eisdiele). Traditionsgemäß wurde gespielt: „Lobe den Herrn, Alte Kameraden und Freut Euch des Lebens“. Inzwischen war das Schützenkorps vor dem Ratskeller angetreten, um den König abzuholen. Das Abholen war alleinige Sache des Schützenkorps, der Magistrat, heute Ortsrat, nahm daran nicht teil!

Um 21.00 Uhr begann der erste Kommers im Saal des Ratskellers, der bis um 1.00 Uhr dauerte. Anschließend ging es allerdings noch nicht nach Haus, man wechselte lediglich das Stockwerk: Unten in der Gaststube wurde noch kräftig weitergefeiert.

Der Donnerstag begann mit dem Wecken um 6.00 Uhr durch die beiden Spielleute. Das Frühstück im Ratskeller begann um 10.00 Uhr. Traditionell gab es vorweg eine leckere Schmorwurst. Das Ende des Frühstücks war um 13.00 Uhr. Jetzt konnten die Musiker der Blaskapelle ihr Mittagessen einnehmen. Um 14.00 Uhr war das Antreten zum Umzug und Ausmarsch zum Festplatz vor dem Ratskeller angesetzt: Die Mitglieder des Magistrats und des Bürgervorsteher-Kollegiums trugen ausnahmslos schwarze Gehröcke und Zylinder, dazu Degen oder Säbel. Der Bürgermeister trug ein Goldfarben- durchwirkte Feldbinde mit zwei langen dazu passenden Quasten. Die Senatoren hatten diese Ausführung in Silber.

 

Senator Blume (li.), Bürgermeister Wolgast (mi.) und Senator Pfeiffer (re.) mit Gehrock, Zylinder und Degen

Die Schulklassen, die auf dem Denkmalplatz Aufstellung genommen hatten, wurden vom Schützenkorps und dem Magistrat abgeholt und setzten sich dem Festzug voran.

Vor dem Ratskellerausgang zur Marktstraße hielt der Festzug kurz an: Nach alter Sitte wurde hier durch den Bürgermeister, bei gleichzeitigem Kreuzen der Säbel, ein dreifaches Hoch ausgebracht: Das erste auf das Deutsche Reich, das zweite auf Niedersachsen und das dritte auf Fallersleben.

Der Umzug ging dann durch die Stadt (gleiche Route wie heute) und hoch zum Festplatz auf dem Windmühlenberg. Wer auf die Königsscheibe schießen wollte, musste während des Umzuges ein blumengeschmücktes Gewehr tragen. 

Das Schützenkorps beim Umzug, Major Wilhelm Breithaupt (mit Schärpe)

Auf dem Festplatz angelangt, wurden die Bewerber um die Königswürde durch Willi Zimmermann (später Schatzmeister des Schützenkorps) listenmäßig erfasst. Ohne Eintragung gab es keine Zulassung zum Schießen auf die Königsscheibe. Erst dann konnte weggetreten werden. Die Mitglieder des Magistrats, also Bürgermeister und Senatoren, eröffneten das Schießen mit jeweils drei Schuss. Es wurde mit schwerer Büchse (Aydt-Büchse) auf 150 m geschossen. Dass alles regelgerecht zuging, dafür sorgte der Scheibenseher Röllecke, der im Kugelfang saß und die Treffer anzeigte.

Während des Schießens, das von 16.00 Uhr bis 19.00 Uhr dauerte, vergnügten sich nach festem Plan unter Aufsicht der Lehrer die Kinder bei Spiel und Tanz. Nach 19.00 Uhr marschierten dann die Schulkinder in Begleitung ihrer Lehrer und des  Schützenbruders Wellmann mit Musik zum Schulplatz der Eulenschule. Dort hielt Rektor Heinrichs noch eine Rede, die mit dem Singen des Deutschland-liedes beendet wurde.

Derweil begann um 20.00 Uhr die Krönung (Proklamation) des neuen Schützenkönigs: Im Jahre 1930 wurde dies Willi Walter, genannt der „Kaiser“.

Schützenkönig Willi Walter mit Königskette. Vorn Königswachen und Max Mehrow (re.), ein ausgesprochener Schützenfestliebhaber

Der anschließende Umzug durch Fallersleben ging zunächst zum Haus des neuen Schützenkönigs in der Bahnhofstraße, wo ein Imbiss eingenommen wurde. Danach setzte sich der Zug zum Haus des Korpskönigs, Heinrich Kumbein aus der Sandkämper Straße, in Bewegung, wo nochmals ein Imbiss eingenommen wurde. Den Abschluss dieses Tages bildete ein turbulenter Königskommers im Ratskeller.

Antreten zum Umzug

Das Frühstück am Freitag (heute Samstag) zeigte wegen des feucht-fröhlichen Vortages schon einige Lücken unter den Schützenfestfreunden, verlief aber, wie immer, in hervorragende Gemütlichkeit.

Während des Frühstücks hatten die Speerträger ihren Auftrag in der Stadt erfüllt. Ihr Leiter war Karl Telge. Mit anerkennenden Worten des Senators Pfeiffer lieferten die Speerträger die empfangenen Geldbeträge zugunsten der Kämmereikasse ab. Viele Geschenke von Bürgern und ein reichlicher Umtrunk mit Frühstück waren der Lohn für den Einsatz!

Umzug durch die Stadt

Nach dem Umzug am Freitag gab der König für den Magistrat, die Bürgervorsteher, die Fähnriche und Fahnenbegleiter sowie für die Offiziere des Schützenkorps die übliche Kaffeetafel, genau wie heute noch, auf der Terrasse der Gaststätte „Schützenhaus“. In fröhlicher, wechselvoller Runde bei Wein und Bier wurde bis zum Morgengrauen gefeiert.

Am Freitagnachmittag fand zudem das Preisschießen statt. Abends wurde kräftig das Tanzbein im alten Saal geschwungen. Es ging bis in die Morgenstunden, wusste ein jeder doch, dass am Samstag Pause war!!!

Der Sonntag galt wiederum dem Preisschießen und der allgemeinen Volksbelustigung. Er begann zunächst mit dem Wecken um 6.00 Uhr durch Trommel und Pfeife. Um 14.00 Uhr war Antreten vor dem Ratskeller zum Ausmarsch Richtung Festplatz. Hierzu waren alle Fallersleber Vereine eingeladen. Die Reihenfolge der Vereine im Zug wurde per Los entschieden. 

Auf dem Festplatz gab es dann Kurzweil für Jedermann (10 Glas Bier kosteten 1,- RM!).

Rektor Heinrichs widmete dem Ausklang des Schützenfestes folgende Zeilen:

Sonntag, wenn die Lebenskraft leidlich sich erneuert,
wird sich noch mal aufgerafft, Kehraus wird gefeiert.
Geht der Musik der Atem aus
muss man schließlich wohl nach Haus,
bestrahlt von Morgenröten, alles Geld ist flöten!!!